Werner Schwarz zur Düngeverordnung: "Die gewonnene Zeit nutzen"
Die Düngeverordnung, die am vorigen Freitag vom Bundesrat beschlossen wurde, wird für viele landwirtschaftliche Betriebe eine kaum zu bewältigende Bürde sein. Es bleibt folgenschwer, dass sich die Bundesregierung gegenüber der EU-Kommission frühzeitig auf eine pauschale Reduzierung der Düngung festgelegt hatte. Es wurde ein Kompromiss geschlossen, die strengen Regelungen in den Roten Gebieten erst ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden.
Das sorgt dafür, dass das Verbot der Herbstdüngung erst ab Herbst 2021 einzuhalten ist und verschafft Zeit für die wichtige Aufgabe der Binnendifferenzierung. Die Fristverlängerung gibt auch mehr Zeit, juristische Schritte gegen die Düngeverordnung und die Umsetzung in den Ländern zu prüfen und vorzubereiten. Das alles ist auch ein Ergebnis der Demonstrationen in den vergangenen Wochen und Monaten. Der Zusammenhalt in der Landwirtschaft ist gewachsen, genauso wie die Wahrnehmung der Politik gegenüber der Landwirtschaft.
Werner Schwarz wendet sich in folgender Erklärung zur Verabschiedung der Düngeverordnung an seine Berufskollegen:
Liebe Berufskolleginnen und Berufskollegen,
es ist jetzt eine Woche her, dass der Bundesrat der Düngeverordnung zugestimmt hat. Sie wird voraussichtlich Ende April ausgefertigt und bekanntgemacht. Damit endet das Vertragsverletzungsverfahren, dass die Kommission im Jahr 2013 gegen Deutschland eingeleitet hat. Nach der Niederlage Deutschlands vor dem Europäischen Gerichtshof in allen Punkten der Klage im Jahr 2018 und den drohenden hohen Strafzahlungen war die Novellierung des Düngerechts letztendlich unvermeidlich.
Auch die Frage der mangelnden Repräsentativität der Messstellen war – von der Bundesrepublik Deutschland selbst eingeräumt – Gegenstand des Verfahrens. Der Europäische Gerichtshof erklärte dies ausdrücklich für nicht maßgeblich. Die Kommission hatte die mangelnde Repräsentativität zwar gegenüber Deutschland gerügt; das war aber nicht Anlass für die Klage. Bei der Klage ging es der Kommission darum, dass Deutschland keine ausreichenden Fortschritte im Vergleich zu den vorangegangenen Nährstoffberichten belegen konnte. Dem stimmte das Gericht zu und verpflichtete Deutschland zu weitergehenden Maßnahmen im Düngerecht.
Folgenschwer bleibt, dass die Bundesregierung sich gegenüber Brüssel frühzeitig auf eine pauschale Reduzierung der Düngung festgelegt hatte. Daraus ergibt sich für viele landwirtschaftliche Betriebe eine schwere, kaum zu bewältigende Bürde.
Der in letzter Minute mit Brüssel ausgehandelte Kompromiss, die strengen Regelungen in den roten Gebieten erst ab dem 1. Januar 2021 anzuwenden, sorgt dafür, dass das Verbot der Herbstdüngung erst ab Herbst 2021 einzuhalten ist. So wird Zeit gewonnen für die wichtige Aufgabe der Binnendifferenzierung. Dies ist ein Vorteil, der nur bei Beschlussfassung am vergangenen Freitag von der Kommission in Aussicht gestellt wurde. Bei einer späteren Verabschiedung des Verordnungsentwurfs im Mai oder Juni wäre die Verordnung umgehend auch in den roten Gebieten in Kraft getreten. In dieser Lage und angesichts der Unvermeidbarkeit der Novellierung ist der Erweiterte Landesvorstand des Bauernverbandes Schleswig-Holstein der Meinung, dass eine Verabschiedung mit dem Kompromiss die bessere Wahl ist. Dieses Meinungsbild ist auf Nachfrage auch der Landesregierung berichtet worden. Teile der Landesregierung waren zu diesem Zeitpunkt aber ohnehin schon für eine Verabschiedung. Die FDP sah das anders, weshalb sich Schleswig-Holstein im Bundesrat enthalten hat.
Die durch den Kompromiss gewonnene Zeit ist jetzt zu nutzen. Die Grundlagen für die Binnendifferenzierung zu schaffen und sie dann vorzunehmen, muss jetzt von Bund und Ländern mit Hochdruck weiterverfolgt werden, damit die Belastungen soweit als möglich begrenzt werden können. Dazu sind die Länder schon durch den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verpflichtet. In den Vorentwürfen der Verwaltungsvorschrift zur Binnendifferenzierung ist vorgesehen, durch eine Modellierung die Ein- und Austräge zu erfassen und dabei bis auf die kleinstmögliche Flächeneinheit des InVeKoS-Systems zu gehen – in Schleswig-Holstein bis auf Feldblockebene – und danach die Gebiete zu differenzieren.
Der Bauernverband Schleswig-Holstein hat seit dem Frühjahr 2019 mithilfe des Ehrenamts und der Kreisgeschäftsführer außerdem alle Messstellen in der Nitrat-Kulisse nach der Wasserrahmenrichtlinie und alle Berichts-Messstellen nach der Nitratrichtlinie in Augenschein genommen und die rund 200 geprüften Messstellen nach Standort und Umgebungsverhältnissen bewertet. Daraus ist eine umfassende und konkrete Messstellenkritik entstanden, die wir dem Umwelt- und Landwirtschaftsministerium übermittelt haben. Es hat zugesagt bei berechtigter Kritik einzelne Messstellen auszutauschen oder zu erneuern.
Die Fristverlängerung gibt auch mehr Zeit, juristische Schritte gegen die Düngeverordnung und die Umsetzung in den Ländern zu prüfen und vorzubereiten. Ein Ansatzpunkt scheint nach bisherigem Stand schon die Tatsache zu sein, dass die Öffentlichkeitsbeteiligung der strategischen Umweltprüfung noch nicht abgeschlossen und bewertet war, als das Rechtssetzungsverfahren zur Düngeverordnung mit der Zuleitung an den Bundesrat begonnen wurde.
Liebe Berufskolleginnen und -Kollegen, die Verabschiedung der Düngeverordnung nach den massiven Protesten und Demonstrationen der vergangenen Monate wird von vielen als bittere Niederlage empfunden. Ich kann das verstehen und nachvollziehen. Diese Demonstrationen, die über "Land schafft Verbindung" und die vielen WhatsApp-Gruppen organisiert wurden, haben nicht nur das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Landwirtschaft gestärkt, sondern nachhaltigen Eindruck auf die Bevölkerung, die politischen Parteien, die Parlamente, die Bundes- und Landesregierungen und die Medien gemacht. Ich würde es für falsch halten, dies nun alles als erfolglos anzusehen. Allein die verschobene Umsetzung des Agrarpakets mit dem Insektenschutzgesetz, die beschlossenen finanziellen Hilfen und die große Bereitwilligkeit der Politik, die Regeln zur Sozialversicherungsfreiheit, Arbeitnehmerüberlassung und Hinzuverdienstgrenzen vor dem Hintergrund der Corona-Krise für eine bessere Beschäftigung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft zu erleichtern, belegen das Gegenteil.
Ich halte es deshalb für wichtig und habe die große Bitte, dass wir uns nach dem Beschluss zu Düngeverordnung jetzt nicht innerhalb der Landwirtschaft auseinanderdividieren und dadurch schwächen. Land schafft Verbindung hat zu einem Bewusstseinswandel auch in der Wahrnehmung der Landwirtschaft in Öffentlichkeit und Politik geführt. Wenn wir dies nutzen und alle Organisationen der Landwirtschaft zusammenstehen, bin ich der festen Überzeugung, dass wir die anstehenden Herausforderungen beim Gewässerschutz, bei der Artenvielfalt, beim Tierwohl und im Klimaschutz so meistern werden, dass sich für unsere Betriebe wieder Perspektiven ergeben. Ich setze auf jede einzelne Landwirtin und auf jeden einzelnen Landwirt, um daran mitzuwirken.
Werner Schwarz
Präsident Bauernverband Schleswig-Holstein