"Greift zum Äußersten – redet miteinander."
Vor gerade mal 50 Jahren gehörten Landwirtschaft und Kirche zusammen wie "Pott und Pann". Auf den Dörfern in Schleswig-Holstein prägten landwirtschaftliche Betriebe und die Kirche nicht nur das Dorfbild sondern auch das tägliche Leben der Menschen in den Orten. Heute präsentiert sich ein anderes Bild. Die Kirche hat vielerorts mit Bedeutungsverlust zu kämpfen und Landwirte müssen sich immer wieder für ihren Job – ihr tägliches Tun – rechtfertigen. Hinzu kommt eine fortschreitende Entfremdung der Bevölkerung sowohl von der Kirche als auch von der Landwirtschaft.
Kann ein konstruktiver Dialog zwischen Vertretern der Landwirtschaft und Verantwortlichen der Evangelischen Kirche dazu beitragen, einer progressiven Entfremdung Einhalt zu bieten?
Das Format "Dialog Landwirtschaft & Kirche" ist in Schleswig-Holstein bewährte Tradition. Seit vielen Jahren initiieren der Bauernverband Schleswig-Holstein und die Evangelische Kirche ein jährliches Treffen, um in größerer Runde über aktuelle Themen zu diskutieren. In diesem Jahr stand das Thema "Veränderungen im ländlichen Raum – Selbstbild und Fremdbild von Landwirtschaft und Kirche" im Fokus. Eingeladen hatte die Bischöfin des Sprengels Schleswig und Holstein Nora Steen. Vertreter der Kirche genauso wie der Landwirtschaft fanden am Donnerstag (19. September) nach einer Andacht im Schleswiger Dom zu einem Austausch im Hotel Hohenzollern zusammen.
Bauernverbandspräsident Klaus-Peter Lucht fand in seiner Begrüßung klare Worte: "Landwirte fühlen sich oftmals missverstanden. Und dies nicht nur in der medialen Berichterstattung, sondern oft auch im Kleinen, vor Ort im Dorf und damit auch in der Kirchengemeinde. Einzelne Bevölkerungsgruppen werden sich immer fremder. Das Verständnis füreinander fehlt zunehmend."
Bischöfin Nora Steen bestätigte diesen Eindruck aus Kirchensicht. "Das vorherrschende Bild von der Kirche ist der Gottesdienst am Sonntag, aber der bleibt zunehmend leer. Kirche findet darüber hinaus an ganz vielen Orten statt. Diese müssen wir sichtbarer machen, gerade im ländlichen Raum." Die Bischöfin dankte den Landwirtinnen und Landwirten, die sich in Kirchengemeinderäten und in ihren Gemeinden engagieren.
Ergänzt wurden diese Gedanken von Landwirt und ZukunftsBauer Jörg Struve aus Nübel. Er attestiert der Gesellschaft eine "Knappheitsentwöhnung", die im Alltag zu durchaus paradoxen Kaufentscheidungen führe. Für den landwirtschaftlichen Unternehmer sei dieses schnelllebige Käuferverhalten betriebswirtschaftlich nicht planbar.
Pastor Malte Thiel, aus der Kirchengemeinde Viöl in Nordfriesland, schilderte seine Perspektive auf den ländlichen Raum. Seine Wahrnehmung von Landwirtinnen und Landwirten habe sich durch die Kontakte in seinem pastoralen Zuständigkeitsbereich positiv verändert. Er schätze die Arbeit und Lebensgeschichten, die in den familienbetriebenen Höfen über Generationen stecken und weitergetragen werden.
Einig waren sich alle Teilnehmer: Veränderungen im Miteinander lassen sich nur umsetzen, wenn Landwirtschaft und Kirche viel enger zusammenarbeiten und gemeinsam versuchen, das Leben in den Dörfern zu gestalten. Kindergottesdienste im Kuhstall, Workshops mit Landwirten und Pastoren auf dem Hof, ein gemeinsamer Besuch der Norla 2025 – die Ideen sind da. Taten müssen nun folgen.